Glaube Liebe Hoffnung
Von Ödön von Horváth und Lukas Kristl
Regie Georg Schmiedleitner
- Vorstellungsdauer
- ca. 100 Minuten, keine Pause
Premiere: Sa. 07. Mai 2022, 20.00
Derniere: Sa. 14. Jän. 2023, 20.00
Über Glaube Liebe Hoffnung
„Das ganze Leben ist ein Quiz …“ – und keiner weiß, welche überraschende Aufgabe sich hinter der nächsten Tür verbirgt. Im Zweifelsfall ist es die nächste Krise. Da stehen wir: Nach zwei zehrenden Jahren, die von einem Virus beherrscht wurden, entflammt an der östlichen Flanke Europas auch noch ein Krieg. Ein Krieg, der Leid und unvorhersehbare wirtschaftliche Folgen zeitigen wird. Vor allem in Europa. Jetzt heißt es, sich warm anziehen. Die globale Ordnung wurde herausgefordert und kippt auf einer schmalen Waage hin und her. Wie auch immer die Zukunft aussieht, sie wird uns teurer zu stehen kommen. Das überforderte Individuum, der einzelne Mensch im Sturm des Weltgeschehens kann versuchen, sein Konsumverhalten zu reduzieren. Ansonsten bleibt ihm nur glauben, lieben, hoffen.
Dies ist die Ausgangslage von Georg Schmiedleitner bei seiner Inszenierung von GLAUBE LIEBE HOFFNUNG, die das Schicksal der kleinen Leute im Strudel der Zeiten in den Fokus rückt. Im Setting einer Lebensquizshow schickt er die Protagonistin auf einen Spießrutenlauf durch die Gesellschaft und lässt sie dabei ums blanke Überleben kämpfen. Schmiedleitner, renommierter Theatermacher auf vielen großen Theater- und Opernbühnen im deutschsprachigen Raum, wirft mit seiner Inszenierung Fragen zu unserer Gegenwart auf, Antworten kann auch er keine geben. So wie wahrscheinlich niemand von uns in diesen Tagen. Also glauben, lieben und hoffen wir eben einfach weiter.
Team
- Es spielen
- Regie
- Ausstattung
- Musik
- Dramaturgie
- Licht
- Maske
- Regieassistenz
- Assistenz Musik
- Regiehospitanz
- Ausstattungshospitanz
- Kostüm- und Requisitenbetreuung
- Tontechnik
- Bühnentechnik
- Katja Thürriegl
- Alf Peherstorfer
- Martina Zweier
- Felicitas Löschnauer
- Peter Hirsch
- Hans Egger, Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer
Foto-Galerie
Kritiken
Über die Produktion
ibi sunt illae.
Da stehen sie. Im Gegenlicht, umfacht von Nebel: die Elenden, die Unterworfenen, Subjekte der verwalteten Welt. Die Untertanen einer gesellschaftlichen Ordnung, deren eigentliche Spielregeln sie nie lernen konnten. Prekäre, Arbeitslose, Kämpfer*innen im Dickicht der Vorschriften, der Paragraphen und der Willkür der sie bearbeitenden Obrigkeit. Auch umspült und verführt von perfiden (Medien-)Spektakeln, welche ihnen von möglichem Aufstieg und sie erwartendem Reichtum vorsingen, und welche sie doch nur als zu verwertendes Material einverleiben, um sie abzukassieren. Schnell muss es gehen! Denn hinten warten schon die Nächsten, die der Illusion noch eine Zukunft glauben.
Der gigantische Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft, dieses ewige Schlachten, bei dem es zu keinem Frieden kommen soll – dessen Darstellung war Ödon von Horváths Arbeitsprogramm. Der Analytiker und glasklare Menschenbeobachter Horváth war sich immer bewusst, dass die meisten menschlichen Gefühlsäußerungen und Moralvorstellungen verkitscht, verfälscht, allemal verniedlicht sind. In all seinen Stücken wollte er rücksichtslos gegen die Lüge vorgehen, die hinter den Beschönigungen, den medialen Erzählungen und den verhärteten Ideologien wartet.
Aber auch gegen die Dummheit, die eben jenen Erzählungen nicht nur vertraut, sie glaubt, (also auch liebt), sondern diese in ihren Meinungen und Weltanschauungen unbewusst allein verkörpert. Seine Figuren sind die Typen dieser Einverleibung von Verfälschung, Trägheit und roher Gewalt. Sie sind ihre Verkörperung. Sie sprechen im Jargon der einflüsternden Vermittler*innen des Herrschaftsdiskurses und der diesen Diskurs stützenden Moral.
Sieht man aber nur ein wenig in den Abgrund hinab, wie man auf Erden die jeweils gängige Moral (welche zumeist auf zutiefst irdischen Interessen ruht) und die dazu bestallten Bevollmächtigten produziert, dann ahnt man auch die Einsichten und Schlüsse, die Ödon von Horváth erhielt und sich demnach machte.
Da alles für ihn sich aus den bestialischen Trieben der menschlichen Natur herleitet, ist ihm die Art des Kampfes – ob heldisch oder feige – bloß ein Formproblem. Horváth schreibt jenseits von Gut und Böse. Er beschreibt, bildet ab, durchdringt, was ist. Nichts wird hier beschönigt oder verhässlicht. Horvath ist ein Moderner im radikalsten (vielleicht sogar nihilistischen) Sinne und somit geistig verwandt mit Freud, Dostojewski und Nietzsche. Er weiß um die Aussichtslosigkeit dieses Kampfes, um die Endgültigkeit des Scheiterns.
So auch in diesem von ihm so bezeichneten „kleinen Totentanz“, der sich um die nimmermüde Aufsteherin Elisabeth dreht und den Weg zeichnet durch die letzten Verstrickungen und Hoffnungen ihres Lebens.
Jedes seiner Stücke, so der Dramatiker, hätte GLAUBE LIEBE HOFFNUNG heißen können. Diese drei korintherverbrieften Tugenden, die jedem Christenmenschen eine feste Zuversicht eingeben sollen, vertrauend auf Tatsachen, die man nicht sieht, die auch nicht sind, und doch sein könnten, wenn man nur glaubt, liebt und hofft.
Georg Schmiedleitner ist ein Liebender im besten Sinne und ein großer Glaubender an die Darstellungsmacht. Und so hofft er doch mit jedem seiner bilderstarken und tief durchdachten Vorgänge die eigentliche Dialektik und Widersprüchlichkeit der vom Medienlärm durchdrungenen, kapitalistischen Welt bloßzulegen. Im schmiedleitnerischen anatomischen Institut liegen unsere moralischen Bilder auf dem Seziertisch. Er präpariert das Material mit einem additiven Verfahren der Aktualisierung.
Indem er immer wieder auf unsere Welt und ihr mediales und ökonomisches Hintergrunds-Rauschen verweist, fügt er dem horváthschen Gewebe die nötige Haltbarkeit hinzu. Sozusagen das „Formalin“ des Heutigen. Wiewohl er die Rechte einer Co-Autorenschaft leidenschaftlich von sich weisen würde. Ihm, Schmiedleithner, geht es immer um die Ehrlichkeit und die Wahrhaftigkeit. Und dafür gibt es schließlich keine Eigentümerschaft.
Freilich ist das alles hier ein verschmitztes Spiel, eine Show, ein Rate-Quiz. Unser Leben. Unser Treiben. Lächerlich und brutal zugleich. Dies zu durchschauen allein ist schon ein Mehrwert dieser dramatischen Anordnung. Daraus sich zu befreien, sich zu lösen und unseren Kindern nur mehr davon zu erzählen vielleicht, bleibt aber ebenso heute nur Gegenstand von Glaube, Liebe und Hoffnung.
Gernot Plass
Künstlerischer Leiter des TAG